Inspiration: Kolumne 

KEHREN UND BEKEHREN

Das Wort „Bekehren“ kann in vielerlei Hinsicht verstanden werden. Jemanden umstimmen, überzeugen, überreden. Und vielleicht sogar ein Stück weit intensiver in Form von jemanden ändern, biegen, beeinflussen und lenken. Dies kann „gut gemeint“ sein, aber auch negativ behaftet sein. Denn wir alle leben in einem Land mit freier Meinung und freier Entscheidungsmöglichkeit.

Oft sind wir von unserer eigenen Meinung sehr überzeugt (was natürlich gut ist) und möchten in weiterer Folge andere Menschen, die uns am Herzen liegen (oder auch nicht), dazu bringen, dass sie ebenfalls unserer Meinung sind und genauso denken, handeln und leben wie wir – eben weil wir das für richtig halten. Das ist eine „nette Idee“, die erfahrungsgemäß selten gut funktioniert und noch seltener gut ankommt beim Gegenüber. Das Resultat ist häufig, dass wir enttäuscht sind (weil es nicht funktioniert hat) und dass der/die andere enttäuscht ist, weil er/sie nicht so leben darf, wie er/sie gerne möchte. Dass dadurch die eine oder andere knifflige Situation gepaart mit großem Unverständnis entstehen kann, liegt auf der Hand.
Es wäre doch einfach (und) schön, wenn wir das Leben (und alles, was dazu gehört) von anderen so lassen, wie es ist. Die Energie, die wir uns sparen, wenn wir es unterlassen, andere zu bekehren, können wir gut und gerne für unsere eigenen Gespräche und Handlungen verwenden. Natürlich ist das Urteilen, Beurteilen und Verurteilen eine leichte Übung – es braucht wenig Anstrengung für unser Gehirn: hören, sehen und reden. Vera Birkenbihl hat ein Buch dazu geschrieben, das ich sehr empfehlen kann: Vom Gehirnbesitzer zum Gehirnbenutzer. Und wofür wir unsere Zeit und unsere Gespräche im Leben so nützen, bleibt uns selbst überlassen. Wo wir doch wissen, dass das Abwerten anderer nur eine armselige Form der Selbstaufwertung ist. Um uns selbst aufzuwerten, gibt es auch die Möglichkeit, bei uns selbst mal genauer hinzusehen. Wie geht es uns? Wie läuft unser eigenes Leben? Was gefällt uns daran? Was möchten wir ändern? Das klassische „Kehren vor der eigenen Haustüre“. Eine kritische Innenschau in den eigenen Vorgarten mag vielleicht unangenehm sein, ungewöhnlich klingen oder gar Neuland sein – kann aber auch sehr heilsam sein – für uns selbst und unser eigenes wertvolles Leben. Passend zum neuen Jahr können wir uns dies zum Vorsatz nehmen – wenn wir möchten. Ich werde es tun und ich möchte künftig mehr kehren anstatt zu bekehren.

Von Herzen alles Gute für unser neues Jahr 2025!